Mit Bockwurst wär' das nicht passiert
Zu meinem Geburtstag gibt es immer Kartoffelsalat mit Bockwurst. Immer? Mein fünfter Geburtstag war am 27. März 1964. Karfreitag. Mama hat gesagt, es bringt Unglück am Karfreitag Bockwurst zu essen. Deshalb hat es an diesem Geburtstag Aal zum Kartoffelsalat gegeben. Fisch am Karfreitag bringt Glück und Segen hat Mama gesagt. Wie zu jedem meiner Geburtstage kam auch an diesem Tag die gesamte Familie zu Besuch. Tante Anni und Onkel Alfred brachten ihre beiden blöden Kinder mit. Weil nicht genug Platz am Esstisch war, mussten sie am Gartentisch sitzen, den Papa reingeholt hatte. Wir anderen haben am Esstisch gegessen. Ich habe mit den drei Mädchen von Onkel Hans-Dieter und Tante Maggi zusammengesessen. Gegenüber saß Tante Dörti zwischen Onkel Hans-Dieter und Tante Maggi. Der Kartoffelsalat war sehr lecker. Ich wollte so gerne eine Bockwurst haben, doch Mama meinte, ich soll froh sein, dass ich überhaupt was zu essen habe. Die Kinder in Afrika wären froh, wenn sie einen Aal hätten. Froh war ich für den Kartoffelsalat. Aber nicht für den Aal. Außerdem fragte ich mich, was die vielen Kinder in Afrika mit nur einem Aal anfangen sollten. Ich hasse Aal und wollte lieber eine Bockwurst. Doch weil ich Gott nicht ärgern wollte, habe ich mir ein Stück von diesem Aal in den Mund geschoben. Dann musste ich kotzen. Weil Mama aufgesprungen ist und mich mit Tempo ins Bad geschoben hat, blieb der Teppich verschont, was auch Mamas Anliegen war. Danach haben wir alle in Ruhe gegessen. Den ekligen Aal musste ich nicht mehr essen. Den hat Tante Dörti sich von meinem Teller genommen. Tante Dörti hat gerne Aal gegessen. Mit Bockwurst würde es ihr aber heute besser gehen.
Als wir so in Ruhe gegessen haben, hat Tante Dörti sich auf einmal an den Hals gafasst und geröchelt. Die drei Mädchen neben mir, Birgit, Brigitte und Britta, haben gekichert. Ich musste auch kichern. Onkel Hans-Dieter wollte sich gerade ein Stück Aal in den Mund schieben, als Tante Dörti ihm den Aal aus der Hand geschlagen hat. Mit der anderen Hand hat sie ihm ihren Teller mit Kartoffelsalat auf die Hose gekippt. Onkel Hans-Dieter war richtig sauer. Das konnte ich an seinem Gesicht sehen. Ich musste wieder kichern und Birgit, Brigitte und Britta kicherten auch. Onkel Hans-Dieter hat nicht gekichert. Er hat sich zu Tante Dörti umgedreht und sie gefragt, ob sie ihr Gehirn gefrühstückt hat. Das kann möglich sein, denn wer so einen ekeligen Aal isst, frühstückt bestimmt auch Gehirn. Aber Tante Dörti hat mit dem Kopf geschüttelt, ist von ihrem Stuhl aufgesprungen und dann in die Lücke zwischen ihrem und Onkel Hans-Dieters Stuhl gefallen. Dabei hat sie sich an der Tischdecke festgehalten. Mama hat gerufen, dass Tante Dörti das sein lassen soll, doch Tante Dörti hat es nicht sein lassen. Sie fiel auf den Fußboden und hat die Tischdecke mitgezogen. Die große Schüssel mit Kartoffelsalat ist erst gegen Ihr Kinn geknallt, dann hat sich der leckere Kartoffelsalat über Tante Dörti verteilt. Mamas vergoldeter Kerzenleuchter flog hinterher und landete auf Tante Dörtis Gesicht. Die Kerzen waren ausgegangen, weil die Wassergläser auch runtergefallen sind. Tante Dörtis Gesicht war puterrot und sie röchelte immer noch. Onkel Hans-Dieter ist dann aufgesprungen und hat dabei seinen Stuhl, Eiche P43, umgeworfen. Die schwere Stuhllehne ist direkt auf Tante Dörtis zuckende Hand gedonnert. Es hat geknackt, doch dann hat die Hand aufgehört zu zucken. Onkel Hans-Dieter hat sich bei Tante Dörti entschuldigt, aber Tante Dörti hat darauf gepfiffen. Richtig laut. Tante Maggi hat zuerst gemerkt, dass Tante Dörti ihr Gehirn nicht zum Frühstück gegessen hatte. Das hat mich gewundert, weil Papa oft gesagt hat, Tanta Maggi sei ziemlich dämlich. Sie hat mal geweint, weil die Frühstückseier nicht weich geworden sind, obwohl sie diese sehr lange gekocht hat. Seither sagt Papa, sie sei die doofe Maggi. Papa hat noch nie in seinem Leben ein Ei gekocht. An diesem Tag war Tante Maggi schlau.
„Die hat was im Hals stecken“, sagte sie und zeigte auf Tante Dörti. Wir alle starrten Tante Dörti an. Tante Maggi ist aufgestanden, zu Tante Dörti gegangen und hat sie auf den Bauch gedreht. Mit ihrer Faust hat sie Tante Dörti volle Lotte auf den Rücken geschlagen.
Mama ist auch aufgesprungen und schrie: „Dreh sie doch nicht auf den Bauch. Die kotzt mir doch den Teppich voll“. Doch Papa meinte, die Kotze würde auf dem Kartoffelsalat liegen bleiben. Onkel Hans-Dieter hat Tante Dörti dann vom Fußboden aufgehoben und hin und her geschlackert. Dabei flogen die Kartoffelstückchen von Tante Dörtis Bluse durch das Esszimmer. Sie sah aus, wie Lukas der Lokomotivführer, der Kartoffelsalat kotzt. Ich musste schon wieder kichern. Birgit und Brigitte kicherten auch. Britta lachte laut und zeigte dabei auf Tante Dörti. Tante Dörti hatte Glubschaugen bekommen und sah Britta böse an. Dann meinte Papa, dass Tante Dörti auf den Kopf gestellt werden muss. Wir starrten ihn an und warteten. Aber als Papa Tante Dörti gepackt hatte und auf den Kopf stellen wollte, ist sie mit dem Hinterkopf auf den Esstisch, Eiche P43, geknallt. Das hat ziemlich gerumst, doch Tante Dörti hat dann endlich nicht mehr so gruselig geröchelt. Papa hat gesagt, dass Tante Dörti glitschig ist. Dann hat er sie mit dem Kopf auf den Fußboden gestellt. Ihr gelber Faltenrock ist über ihr Gesicht gefallen und wir konnten ihre Unterhose sehen. Papa hielt Tante Dörtis Beine umklammert und meinte noch Mal, sie sei sehr glitschig. Mama sagte, dass das von der Mayonnaise ist. Die macht sie immer selbst. Mit frischen Eiern und gutem Sonnenblumenöl. Mama hat noch nie Mayonnaise im Laden gekauft. Birgit, Brigitte und Britta begannen wieder zu kichern und zeigten auf Tante Dörtis Unterhose. Die war klitschnass, weil Tante Dörti sich vollgepinkelt hatte. Ich habe nicht gekichert, weil mir das auch schon Mal passiert war. Aber da stand ich nicht auf dem Kopf sondern im Bus. Am Gartentisch haben die blöden Kinder von Tante Anni um den grünen Wackelpeter gezankt, weil der rote nicht schmeckt. Onkel Alfred meinte, der grüne Wackelpeter schmeckt auch nicht, aber der Hunger treibt es rein. Ich wollte gerne noch was von der Vanillesoße haben, doch die war schon leer.
Onkel Hans-Dieter hat dann den Notarzt gerufen, doch als der angekommen ist, war Tante Dörti im Kreis ihrer Familie friedlich eingeschlafen.
Die Kriminalpolizei hat den Aal später einfach mitgenommen, ohne zu bezahlen. Tante Anni hat sich geärgert, dass sie am Gartentisch nichts davon mitbekommen hatte, dass Tante Dörti eingeschlafen war. Von dem Aal hatte sie auch nichts abbekommen.
Am Abend hat Mama uns zu dem restlichen Kartoffelsalat doch noch ein paar Bockwürstchen heiß gemacht. Sie hat gesagt, der Aal war rausgeschmissenes Geld.
Meine Geburtstagstorte haben wir am Samstag gegessen. Obwohl keine Vanillesoße mehr da war, war es ein sehr schöner Geburtstag.
Hier gehts weiter Papa ist ein Mörder